Der Osterhase kommt bald vorbei. Ich wollte euch heute noch einen anderen, ebenso besonderen Hasen vorstellen. Seine Geschichte beginnt folgendermaßen: „Es war einmal ein Hase, der war braun, hatte lange Haar und lange Ohren, einen kurzen Schwanz und hüpfte um die Ecke. Er hüpfte auch dann um die Ecke herum, wenn gar keine Ecke da war. Doch eigentlich war er gar nicht braun, sondern rosa, und seine Haare waren eigentlich kurz, sein Schwanz geringelt, und er hüpfte eigentlich überhaupt nicht, sondern grunzte und wühlte im Schlamm …“
So verwandeln sich zuerst einzelne Körperteile und Eigenschaften bis dann aus dem jeweiligen Tier ein ganz Neues geworden ist und ein lustiges Spiel mit Fantasiewesen sich entwickelt hat. Schwitters surreal-groteske (Un)-sinnsprosa von 1925 wirft Fragen nach der Identität von Lebewesen auf: Ab wann verändert sich eine Person so sehr, dass sie nicht mehr als die erkannt wird, die sie zuvor darstellte? Was sind die charakteristischen Eigenschaften von Persönlichkeiten, die ihre Identität ausmachen? Gibt es so etwas wie Identität überhaupt?
Insofern stellt die „Geschichte vom Hasen“ ein spannendes Gedankenexperiment dar, dass in der Bilderbuchausgabe meiner Meinung nach leider nicht sehr gut umgesetzt ist. Die Illustrationen von Carsten Märtin erscheinen mir recht unoriginell und lieblos. Der Hase z.B. schaut so traurig und belämmert drein, dass man Mitleid mit ihm bekommt, dabei würde der Text eine fröhlichere zeichnerische Umsetzung, die seinen spielerischen Charakter unterstreicht, doch nahe legen. Ich würde mich also freuen, wenn ein begabter Zeichner sich dieser schönen experimentellen Geschichte annehmen und mehr aus ihr herausholen würde. Das wäre ein schönes Ostergeschenk für das nächste Jahr.
Kurt Schwitters: Die Geschichte vom Hasen. Mit Illustrationen von Carsten Märtin. Lappan Verlag 2001. ab 5 Jahren. 9,95 Euro.
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