Vorankündigungen: „Kiebich und Dutz“ in Frankfurt und Buchmesse in Leipzig

Vor einiger Zeit habe ich über meine Entdeckung des Theaterstücks (und des dazugehörigen Buchs und Films) „Kiebich und Dutz“ von F.K. Waechter berichtet. Bei meinen Recherchen bin ich auch auf den Spielplan des Schauspiels Frankfurt gestoßen. Dort wurde das Stück in einer Inszenierung von Lily Sykes angekündigt, gestern war die Premiere. Die Szenenfotos sehen sehr bunt aus. Ich würde es selbst so gern sehen, habe aber in den nächsten Monaten wahrscheinlich keine Zeit für den weiten Weg nach Hessen. Über Eindrücke und Berichte von Besuchern würde ich mich riesig freuen!

Nach Frankfurt schaffe ich es nicht, aber nach Leipzig! Am nächsten Donnerstag ist es so weit und ich habe zwei sehr beschäftigte Tage vor mir. Es stehen jede Menge interessante kinderliterarisches Programmpunkte auf meinem Plan und ich freue mich auf viele neue Entdeckungen, über die ich natürlich im Blog berichten werde.

Zwei Mal Kamishibai in Neukölln

Ende August hatte ich hier ein kleines Experiment angekündigt: Eine Freundin und ich, wir haben in Berlin-Neukölln einen Kamishibai-Workshop vorbereitet. Wir haben ein Theater gebastelt, eine Geschichte geschrieben und illustriert. Im Zuge unserer „Werbemaßnahmen“ zum Erzählnachmittag ergab sich spontan der Kontakt zur Pfarrerin der Genezareth-Kirche in Neukölln, die uns zum „Nachbarschaftsfest ‚WortReich‘ des interkulturellen Zentrum Genezareth“ einlud.

Diese Einladung nahmen wir gerne an und fanden uns am Freitag, 07. September auf dem Herrfurthplatz wieder, mit einem recht großen Stand und unserem kleinen Theater. Zuerst kamen wir uns ein bisschen verloren vor. Die anderen Stände boten jede Menge Sprachspiele, Bücher, Bilder und vor allem Süßigkeiten. Da kam uns unser Angebot nicht ganz konkurrenzfähig vor. Dann wurden wir jedoch sehr überrascht: Unsere Idee, die Kinder Bilder malen zu lassen, sie im Theater zu zeigen und zu erzählen, was darauf passiert, funktionierte nämlich prächtig. Ganz ohne Süßigkeiten! Wir sammelten so jede Menge schöne Bilder und Geschichten von Mondraketen, Fußballspielen, um die Welt reisenden Drachen, Sonnen in verschiedenen Farben und Autos. An den Themen seht ihr schon, dass vor allem Jungs bei unserem kleinen Theater vorbeikamen.

Der Stand beim Gemeindefest war also eine sehr gute Vorbereitung für unseren Workshop im Kulturcafé Fincan am Sonntag. Hier war unsere Teilnehmerzahl etwas kleiner, dafür waren die beiden Besucherinnen Merle und Hanna umso engagierter und begabter. Es klappte wunderbar, mit den beiden eine Geschichte zu entwickeln, Bilder dazu zu malen und das Ganze in Worte zu kleiden. Zwei Stunden arbeiteten wir konzentriert zusammen, bis wir uns eine Stärkung mit Kuchen und Tee verdient hatten. Den Höhepunkt des Nachmittags stellte die Aufführung der Geschichte vor den Eltern dar, die die beiden Kamishibai-Erzählerinnen wunderbar bewältigten.

Nun überlegen wir, ob und wie wir unseren Kamishibai-Erzählnachmittag verstetigen, wo und wie wir evtl. mit Grundschulen zusammenarbeiten, wo und wie wir finanzielle Unterstützung für unsere Materialkosten herbekommen. Der erste Probedurchgang des Experiments war also ganz erfolgreich, nun basteln wir an einer Fortsetzung, denn Kamishibai ist wirklich spannend.

Theater, Comic, Lied, Film – eine Mediencollage aus der Vor-Internet-Zeit: „Kiebich und Dutz“ von Friedrich Karl Waechter

Eine kleine Anekdote vorweg: Ich habe das Buch in einem Antiquariat entdeckt. Die Buchhändlerin fragte mich, warum ich das Buch kaufen würde. Ich erzählte ihr von meinem Interesse für historische Kinderbücher. Sie meinte dann zu mir, sie hätte geahnt, dass dieses Buch niemand für seine Kinder kaufen würde. Und sie hat Recht: Dieses Buch einem Kind zu vermitteln, ist wahrscheinlich eine schwierige Aufgabe, denn es ist sehr historisch und hat nicht mehr viel mit unserer heutigen Medienrealität zu tun. Vielleicht finde ich doch noch eine Verwendung für meinen Sohn, denn die Geschichte gefällt mir sehr gut. Außerdem hat sie mein literaturwissenschaftliches Interesse inspiriert und mir einige aufregende Entdeckungen beschert.

Aber nun der Reihe nach: „Kiebich und Dutz“ ist eigentlich ein Theaterstück. Es hatte seine Uraufführung 1979 im Frankfurter Schauspielhaus. Aus dem Stücktext, Fotos vom Bühnengeschehen, Zeichnungen und einem Comic von F.K. Wächter sowie Noten ist eine Collage, eine intermediales Gesamtkunstwerk in Buchform, entstanden und ebenso 1979 erschienen. Von dieser Medienmischung war ich beim ersten Mal Lesen und Schauen komplett erschlagen. Ich hatte den Eindruck, es handelte sich um eine sehr, sehr komplizierte Geschichte, die schwer verständlich sei. Erst langsam dröselte sich für mich die Collage auf und fügte sich zu einem Gesamtbild.

Die beiden Freunde Kiebich und Dutz leben in einem Kasten. Kiebich liest in einem Comic mit dem Titel „Rakis Reise in die Welt“ und ist begeistert von der Geschichte. Er beschließt, ebenso wie der Held, Abenteuer in der Welt außerhalb des Kastens zu erleben. Er möchte gerne seinen Freund Dutz mitnehmen, doch der hat zu viel Angst und bleibt lieber in seinem kuscheligen Kissenberg versteckt. Kiebich macht sich allein auf den Weg und begegnet zuerst einem Reklamepfeil, der anzeigt, dass in Dr. Potters Gruselbahn ein Einlasskontrolleur gesucht wird. Kiebich lässt sich auf dieses Angebot ein und gerät in die Fänge des ausbeuterischen Dr. Potter, der totale Kontrolle über seinen Angestellten ausüben will. Kiebich möchte ausbrechen aus seiner stumpfen Tätigkeit und der Herrschaft des Dr. Potter, verstrickt sich aber immer mehr und wird schließlich seiner Augen und Ohren beraubt. Sein Freund Dutz spürt, dass es Kiebich schlecht geht und er macht sich auf den Weg, ihn zu suchen. Bald gelangt er zu Dr. Potters Gruselbahn, kann den Schurken besiegen und Kiebich befreien.

Es geht also vorrangig darum, wie die beiden Freunde Kiebich und Dutz die Welt entdecken. Die beiden sind sehr unterschiedlich: Kiebich ist neugierig, mutig, fast ein bisschen zu ungestüm. Dutz ist ängstlich, gemütlich und sehr herzlich. Insbesondere Dutz entwickelt sich im Laufe der Geschichte sehr stark weiter: Er wird mutiger und erobert langsam die Welt. Mit ihm erlebt man als Leser und Zuschauer die Entwicklungsetappen eines Kindes. Kiebich hingegen hat die Rolle des Erziehers inne, der seinem Schützling die Welt zeigt. Am Ende kehren sich die Aufgaben der beiden um, denn Dutz befreit Kiebich. Damit enthält das Stück schöne Botschaften, die auch sehr präzise und explizit formuliert sind. Die Beschreibung der Freundschaft der beiden Geschöpfe, die im Laufe der Geschichte Höhen und Tiefen erlebt und am Ende als enges Band erscheint, regt zum Nachdenken über Freunde an. Das Motiv des Hinausziehens in die Welt, die erst einmal nur im Kopf und in einem Comic existiert, thematisiert das Verhältnis von Medien und Realität. Im Stück heißt es: „Ein Buch ist ein Buch, aber die Welt ist die Welt“.

Vertieft wird diese medienkritische Haltung in einem Film, der 1987 nach der Vorlage des Theaterstücks mit den Schauspielern aus dem Stück (Michael Altmann und Heinz Kraehkamp) gedreht wurde. Im Film gerät Kiebich nicht durch eine bedrohliche und kontrollierende Arbeitswelt in Gefahr, sondern durch eine Musikmaschine. Diese verführt ihn durch ihre geheimnisvollen Töne auf „Knopfdruck“ und verschlingt ihn mit Haut und Haaren. So wird die im Stück angedeutete Medienkritik noch deutlicher und zwar in einem stärker technisierten Medium als es das Theater ist. Diese Wendung hat mich sehr überrascht, denn sie scheint mir paradox.

Ich bin neugierig, was das Schauspiel Frankfurt aus diesen beiden Lesarten und dem großartigen Kindermedienexperiment von F.K. Waechter macht. Zufälligerweise steht „Kiebich und Dutz“ im Frühjahr 2013 dort auf dem Spielplan.

Friedrich Karl Waechter: Kiebich und Dutz. Mit Fotos von Rainer Drexel und Zeichnungen von Friedrich Karl Waechter. Diogenes Verlag 1979. ab 6 Jahren. Nur noch antiquarisch erhältlich.

Hier gibt es nähere Informationen zum Film.

Und hier die Ankündigung auf dem Spielplan des Frankfurter Schauspiels. Falls ihr irgendwo weitere Aufführungen angekündigt findet, würde ich mich sehr über Hinweise dazu freuen.

Kasperletheater

Der Kindergeburtstag naht! Bei der letzten Feier funktionierte die Aufführung eines Kasperlestückes gut. Wir haben ein Bettlaken zwischen die Türrahmen gespannt, eine Kasperhandpuppe besorgt und die restlichen Figuren mit Kuscheltieren besetzt. Den Text des Stücks haben wir dem Buch „Neues von Kasperle und seinen Freunden“ entnommen. Fertig war die kleine Aufführung und die 2- und 3-jährigen Kinder haben gespannt gelauscht, auch wenn der Text an einigen Stellen etwas holperte.

Dieses Jahr können wir auf ein erweitertes Handpuppenpersonal (Prinzessin, Großmutter, Polizist, Krokodil) zurückgreifen und haben mehr Stücke zur Auswahl, denn wir haben noch „Neue Kasperlestücke für viele Anlässe“ geschenkt bekommen. Dafür ist das Publikum älter und bestimmt anspruchsvoller. Vielleicht sollten wir einen Probedurchlauf machen, damit der Text besser sitzt als im letzten Jahr.

Die Stücke aus den beiden Büchern mit Kasperlestücken sind jedenfalls sehr ähnlich gestrickt: Sie eignen sich für zwei Spieler, Hinweise zu Kulissen, Dauer, Figuren und Requisiten werden zur Einleitung übersichtlich präsentiert. Die Geschichten sind meist an bestimmte Anlässe gekoppelt, es gibt also z.B. Geburtstags- oder Weihnachtsstücke. Im Buch „Neues von Kasperle und seinen Freunden“ scheint mir der Text und die Sprache etwas komplexer zu sein, aber hier sind auch Altersangaben zu den einzelnen Stücken gemacht.

Ich finde die Begeisterung von Kindern für Kasperlestücke immer faszinierend: wie sie in den Geschichten aufgehen, mit den Figuren interagieren und in die Welt von Kasper versinken. Der Mikrokosmos der Kaspergeschichten ist dem Märchen vergleichbar. Die Verhältnisse sind überschaubar. Das Gute besiegt am Ende das Böse. Allerdings trägt das Kasperletheater eher satirische und clowneske Züge. Hier kann der Kasper auch mal gegen den König revoltieren. Und der Held muss nicht immer so perfekt sein, wie im Märchen, ihm dürfen auch mal Missgeschicke passieren.

Für diesen Geburtstag habe ich ein Stück ausgesucht, bei dem Kasper gegen eine Hexe kämpft. Sie ist beleidigt, weil sie nicht zum Geburtstag der Großmutter eingeladen wurde und verzaubert aus Rache die Prinzessin und Kaspers Freund Seppel. Kasper macht den Zauber rückgängig und am Ende hat der Held sich dann ein großes Stück Kuchen verdient, genauso wie die Puppenspieler.

Heike Brock und Peter Wilhelm: Neues von Kasperle und seinen Freunden. 9 lustige Kasperlestücke. Urania Verlag 2003. 9,90 Euro.

Ursula Lietz: Neue Kasperlestücke für viele Anlässe zum Nachspielen und Mitmachen für Menschen ab 3 Jahren. Ökotopia Verlag 2010. 12,90 Euro.