Noch mehr Nostalgie: Märchen und Geschichten auf Diarollfilmen

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Ein nicht unwesentlicher Aspekt im Leben mit Kindern besteht darin, dass man eigene Kindheitserlebnisse wiederholen kann. Und das gilt insbesondere auch für das Vorlesen von Geschichten, wovon hier im Blog ja schon oft die Rede war. Ein Erlebnis, das meine Kindheit stark geprägt hat, waren sonntägliche Kinoabende mit Märchen auf Diarollfilmen. Besonders wenn es abends … Weiterlesen

Nochmal Japan: Erzählkunst

Neben den Eisenbahnbüchern machte mich meine Freundin in Japan noch auf ein weiteres kulturelles Phänomen aufmerksam, das in der japanischen Kinderliteratur und Populärkultur eine Rolle spielt und mich sehr fasziniert hat: das Kamishibai, japanisches Papiertheater.

Entstanden ist diese Form des öffentlichen Theaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Süßigkeitenverkäufer fuhren mit dem Fahrrad durch die Dörfer und Städte. Auf dem Gepäckträger war ein Holzrahmen befestigt, in die er die Geschichtstafeln einlegte und seine Geschichten vortrug. Mit einem Bühnenmodell aus Holz entsteht so eine angeleitete gesellige Form des Erzählens, in dem eine kindorientierte Geschichte in szenischer Abfolge von Bildern präsentiert wird. Die Vorstellung war jeweils kostenlos, den Unterhalt verdiente sich der Erzähler mit dem Verkauf von Süßigkeiten.

Mit der Einführung des Fernsehens verschwand diese Kunst des Erzählens. In Deutschland setzen es GrunschullehrerInnen und ErzieherInnen heute manchmal ein, um das Geschichtenerzählen zu fördern. Insbesondere Märchenerzählungen können so durch Bilder ergänzt werden. Es gibt auch bei uns Kamishibai-Rahmen und Bildkarten zu kaufen.

In Allen Says Geschichte „Kamishibai Man“ wird von einem alten Mann berichtet, der früher als Kamishibai-Erzähler seinen Lebensunterhalt verdiente. Er denkt voller Melancholie an sein früheres Leben und beschließt, noch einmal als Kamishibai-Erzähler in die Stadt zu fahren. Dabei macht er erstaunliche Entdeckungen. Leider wurde dieses Buch noch nicht ins Deutsche übersetzt. Ich bin aber sehr neugierig darauf und werde es mir noch anschauen. Und außerdem würde ich sehr gerne mal ein Kamishibai ausprobieren. Aber damit warte ich lieber noch bis die Tage kürzer, die Abende länger und die Sonntage richtig verregnet werden …

Allen Say: Kamishibai Man. Houghton Mifflin Verlag 2005. ab 4 Jahren. 13,20 Euro.

Wieder da …

Seit Ostern war es ruhig im Blog, nun geht es weiter … Heute zuerst mit einem Ausstellungs- und Katalogtipp: Im Frankfurter Goethehaus wird vom 24. April bis 15. Juli 2012 die Ausstellung „Hänsel und Gretel im Bilderwald. Illustrationen romantischer Märchen aus 200 Jahren“ gezeigt. In einem früheren Blogbeitrag  hatte ich schon einmal thematisiert, dass die Bebilderung spannende Einblicke in die Rezeption und die Sichtweise auf Märchen gibt. Die Ausstellung macht dieses sicher auch noch einmal deutlich.

Eine harte Nuss – meine Schwierigkeiten mit dem Phänomen „Janosch“: „Der Josa mit der Zauberfiedel“ von Janosch

Ich war nie ein Tigerentenfan. Es wäre mir niemals in den Sinn gekommen, mein Fahrrad gelb und schwarz gestreift anzumalen. Trotzdem habe ich nun langsam damit angefangen, mich mit dem Phänomen „Janosch“ zu beschäftigen. Dabei erscheint mir dieser Mythos wie eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Die Schale bildet der ganze kommerzielle Komplex um „Oh, wie schön ist Panama“ und dessen Figuren und Zeichnungen. An den Bildern habe ich mich satt gesehen. Die Geschichte mit ihrer Botschaft, dass ein Aufbruch ins Unbekannte wieder zum eigenen Zuhause zurück führt, erscheint mir zutiefst konservativ.

Um den Autor Janosch nicht auf ein Werk zu reduzieren und beim Argument der Kommerzialisierung stehen zu bleiben, habe ich mir die Geschichten um Lari Fari Mogelzahn angeschaut, die vor „Oh wie schön ist Panama“ erschienen sind. Leider war ich wieder enttäuscht. Ich mag die Idee der „wahren Lügengeschichten“ und finde schön, wie die Rollen in den Geschichten klar verteilt sind: der Nussknacker Lari Fari Mogelzahn tischt die Lügen auf, der ehrliche Löwe Hans widerspricht und zweifelt alles an, was Lari Fari erzählt. Trotzdem sind mir die Geschichten zu verspielt, die Dichte an Phantasienamen und -gestalten überfordert mich. Die Handlungsabläufe sind mir zu verworren und beziehen sich auf Welten, zu denen ich keinen Zugang gefunden habe.

Nach dieser Leseerfahrung mit Lari Fari Mogelzahn hatte ich den Eindruck, die Nuss und das Phänomen „Janosch“ noch nicht geknackt zu haben oder aber auf eine faule Nuss gestoßen zu sein. Dann schenkte uns eine Freundin ein älteres Werk aus den künstlerischen Anfangstagen des Autors. Dieses Mal klappte es: Ich mag „Der Josa mit der Zauberfiedel“ sehr gerne, weil die Zeichnungen viel flächiger, verschwommener und expressiver, und nicht so glatt sind. Die Geschichte vom kleinen Josa, der von einem Vogel eine Zauberfiedel geschenkt bekommt, mit der er die Macht hat, Lebewesen kleiner und größer werden zu lassen, hat etwas Märchenhaftes an sich. Dabei scheinen die Namen, Figuren und Handlungselemente einer osteuropäischen, folkloristischen Tradition entnommen zu sein, die mir vertraut ist. Zum Buch gibt es auch eine Vertonung, die ich mir gerne noch anhören möchte. Durch „Josa mit der Zauberfiedel“ habe ich einen interessanten Aspekt des Phänomens „Janosch“ gefunden und kann nun mit gutem Gewissen die kommerzialisierten Figuren und Geschichten ignorieren.

Janosch: Oh, wie schön ist Panama. Beltz 2011. ab 4 Jahren. 5,95 Euro (zuerst 1978 erschienen).

Janosch: Janosch’s wahre Lügengeschichten. Beltz 2011. ab 8 Jahren. 8,95 Euro. Enthält „Lari Fari Mogelzahn“ (1971), „Die Löwenreise“ (1974), „Der Quasselkasper“ (1980).

Janosch: Der Josa mit der Zauberfiedel. Parabel Verlag 1967. ab 4 Jahren. Nur noch antiquarisch erhältlich.

Grusel, grusel: Märchenillustrationen

Ich lese gerne Märchen vor. Ich mag die einfachen Geschichten von Gut und Böse. Ich denke, dass Märchen zur kulturellen Bildung gehören. Ohne Märchen versteht man viele Geschichten nicht.

Wir haben eine prächtige Readers-Digest-Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm geschenkt bekommen. Ein Märchenbuch, wie man es sich vorstellt, sehr stabil mit schönem Einband und Goldschnitt. Nur dass ich als Vorleserin noch keine grauen Haare habe und ein Ohrensessel nicht in unser kleines Wohnzimmer passt. Die Sprache der Märchen ist zwar modernisiert, aber die einzelnen Geschichten sind nicht gekürzt. Leider ist das Buch sehr spärlich und etwas langweilig illustriert (Illustrationen: Dorothea Desmarowitz und Bernhard Oberdieck). Also habe ich mich auf die Suche begeben nach schönen zeitgenössischen Märchenillustrationen, die nicht im Disney-Stil gehalten sind. Dabei bin ich auf wirklich erstaunliche Bücher gestoßen.

Bisher habe ich folgende Märchen vorgelesen: „Schneewittchen“, „Hänsel und Gretel“, „Rotkäppchen“, „Die Bremer Stadtmusikanten“ sowie „Die Prinzessin auf der Erbse“. Dabei hat sich herausgestellt, dass „Hänsel und Gretel“ das gruseligste Märchen zu sein scheint. Die Hexe schien meinem Kind wirklich Angst zu machen. Interessanterweise ist genau diese Geschichte das Märchen, das am häufigsten zu Illustrationen einlädt. Ich habe mir vier neu erschienene oder wieder aufgelegte Ausgaben angeschaut und war sehr erstaunt über die verschiedenen Illustrationsstile.

Zwei sehr kunstvolle Bände gibt es von Lorenzo Mattotti und Kveta Pacovska. Die Illustrationen des Italieners sind alle in schwarz gehalten, scherenschnittartig und stellen mehr abstrakte Gefühle und Seelenzustände als die Figuren und Räume des Märchens dar. Eine Ausgabe, die ab fünf Jahren empfohlen wird, aber sich wohl in erster Linie an bibliophile erwachsene Leser richtet.

Ebenso ästhetisch verstörend wirkten auf mich Kveta Pacovskas Bilder zu „Hänsel und Gretel“. Die Figuren sind kubistisch verfremdet und als Fratzen gezeichnet. Auch hier greift die Illustratorin häufig auf die Farbe schwarz zurück. Ich bin durchaus offen für ungewöhnliche und künstlerische Bilder, diese Zeichnungen waren mir aber zu ausgefallen. Besser haben mir die Illustrationen von Kveta Pacovska zu „Rotkäppchen“ oder „Aschenputtel“ gefallen.

Zurück zu „Hänsel und Gretel“: Auf den ersten Blick mochte ich die Ausgaben des Märchens von Bernadette und Markus Lefrançois. Die Figuren waren erkennbar, aber nicht zu niedlich. Schöne grafische Elemente und Details rahmen die Geschichte ein. Aber auch hier kamen die Illustratoren nicht ohne gruselige und verstörende Bilder aus. Die Szene, als die Hexe in den Ofen gestoßen wird, wirkte grausig. Das Märchen bekam eine düstere Atmosphäre, mit der ich schwer umgehen konnte.

Warum wird „Hänsel und Gretel“ so als Kinderschreck illustriert? Hilft es Ängste zu überwinden, wenn das Monströse der Geschichte im Vordergrund steht? Wäre es nicht besser, die Schweinwerfer auf die mutige Gretel zu richten, wenn sie die Hexe in den Ofen stößt, als das verzerrte Gesicht der Hexe in Nahaufnahme zu zeigen?


Lorenzo Mattotti: Hänsel und Gretel. Carlsen Verlag 2011.ab 5 Jahren. 19,90 Euro.

Kveta Pacovska: Hänsel und Gretel. Minedition 2009. ab 3 Jahren. 19,95 Euro.

Bernadette: Hänsel und Gretel. Nord Süd Verlag 1973 (Neuauflage). ab 3 Jahren. 13,80 Euro.

Markus Lefrançois: Hänsel und Gretel. Reclam Verlag 2011. ab 3 Jahren. 16,95 Euro.