Kinderbücher global: „Caillou“ von Christine L’Heureux und Hélène Desputeaux

caillouAnfang des Jahres hatten wir das Vergnügen, eine Reise zu unternehmen. Es war die erste Reise für unseren Sohn mit dem Flugzeug. Das war aufregend. Neben den Abläufen am Flughafen und dem ganzen Drumherum um das Fliegen, war auch das Unterhaltungsprogramm im Flugzeug sehr spannend. Wir haben das erste Mal ein Computerspiel ausprobiert. Und haben Caillou kennen gelernt. Er ist kosmopolitischeren Freunden von mir, die aufgrund von binationalen Partnerschaften öfters zwischen Kontinenten hin- und herreisen, schon lange ein Begriff.  Mir fernsehabstinenter Mutter – seit 1998 gibt es eine kanadische Serie, die auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird – war er noch ganz unbekannt.

Caillou ist ein vierjähriger Junge, der fasziniert die Welt entdeckt und von seiner Familie und seinen Freunden durch diese geführt wird. Der Aufbau und das „Strickmuster“ der Geschichten erinnert mich an die „Bobo-Siebenschläfer-Reihe“, nur für etwas ältere Kinder: Der Protagonist meistert in den Episoden alltägliche Herausforderungen. Er bietet viel Identifikationspotential. Unterstützt wird er von seinen Eltern, die immer gute Lösungen parat haben und somit den Vorlesern als Vorbild und Ideengebern dienen können.

Während des Flugs habe ich mir überlegt, warum Turkish Airlines, diese Serie für ihr Unterhaltungsprogramm ausgewählt haben könnte. Ob Caillou unabhängig von der Heimatkultur der ZuschauerInnen funktioniert? Spricht er Kinder egal welcher Herkunft an? Eigentlich sind Erziehungsstile und Kindheiten ja durchaus kulturabhängig. In welchem Maße gilt das auch für Kinderbuchfiguren und Geschichten? Anderen Sprachen gegenüber sind Kinder ja viel aufgeschlossener als Erwachsene. So ist unser Sohn auch sehr bereitwillig dem Englisch gefolgt, das in der Serie gesprochen wurde. Vertrauen auch andere Airlines dieser recht erfolgreichen Figur? Fragen über Fragen, die weiter gereiste und in mehr als einer Kultur aufgewachsene Menschen vielleicht beantworten können. Für Expertenmeinungen bin ich sehr dankbar.

Christine L’Heureux und Hélène Desputeaux: Caillou und der verregnete Tag. Panini-Books 2008. ab 3 Jahren. 6,95 Euro. Die Reihe umfasst 16 Bände.

P.S.: Die Autorschaft der Serie ist etwas unklar. Es scheint einen Streit zwischen den ErfinderInnen der Serie und späteren Rechteinhabern zu geben – siehe die Webseite von Hélène Desputeaux.

Very british: „Wir bekommen ein Baby“ von John Burningham, illustriert von Helen Oxenbury

wirbekommeneinbabyIn unserem Verwandten- und Bekanntenkreis rollt gerade eine kleine Babywelle auf uns zu. Dabei gibt es auch zukünftige große Schwestern und Brüder, für die sich einiges verändern wird. Die Vorbereitung auf ein Geschwisterkind ist ein wichtiges Thema in Bilderbüchern, denn Bücher liefern gute Anlässe, um über die Schwangerschaft und das neue Leben mit dem Baby zu reden, Ängste und Befürchtungen aufzunehmen und die großen Veränderungen vorzubereiten.

Glücklicherweise haben sich zwei der wichtigsten britischen Bilderbuchkünstler diesem Thema angenommen. John Burningham und Helen Oxenbury wurde beide (Helen Oxenbury mehrfach) mit der Kate Greenaway Medal ausgezeichnet, der wichtigsten Auszeichnung für Kinderbücher in Großbritannien. Und so hat das Buch „Wir bekommen ein Baby“ viel Charme – die schicken Kleider der Mutter hätte ich auch gerne im Kleiderschrank hängen – und feinen britischen Humor.

Auf den Satz „Wir bekommen ein Baby“ hin, werden die Überlegungen eines ca. drei- oder vierjährigen großen Bruders aufgeschrieben und bebildert. Zuerst stellt er Fragen: Wann wird das Baby kommen? Wie wird es heißen? Was wird das Baby tun? Mit den Fragen vermischen sich dann seine Erwartungen, Wünsche und Befürchtungen, die von der Mutter aufgenommen und von beiden Protagonisten weiter gesponnen werden. Die Gedanken des Jungen, darüber, was  das Baby tun wird, werden dabei auf Doppelseiten ausgemalt. So folgt z.B. auf  die Frage „Was wird das Baby tun?“ der kleine Dialog: Mutter: „Vielleicht wird das Baby in der Küche arbeiten und Koch werden.“ Großer Bruder: „Ich weiß nicht, ob ich etwas essen will, das vom Baby zubereitet wurde.“ Und daraufhin wird in einer Bilderfolge gezeigt, wie das Baby Teig anrührt und wild Pfannkuchen in der Küche durch die Luft wirbelt. So entstehen lauter lustige Situationen, in denen das Baby bei verschiedenen „babyuntypischen“ Aktivitäten gezeigt wird.

Wunderbar wechseln sich die Seiten mit Dialogen zwischen Mutter und Sohn sowie mit den Gedanken des Jungen ab. Die Geschichte endet mit einer Fahrt ins Krankenhaus, wo die erste Begegnung mit dem Neugeborenen stattfinden wird. Und der große Bruder ist bestens darauf vorbereitet!

John Burningham und Helen Oxenbury: Wir bekommen ein Baby. Carlsen Verlag 2011. ab 3 Jahren. 14,95 Euro.

Die leisen Töne: „Simon und die Heilige Nacht“ von Eve Tharlet

Wie versprochen stelle ich hsimon heilige nachteute ein zweites Weihnachtsbuch vor, das für mich in vielen Aspekten ein komplettes Gegenteil zu „Babar und der Weihnachtsmann“ darstellt. „Simon und die Heilige Nacht“ habe ich bei uns im Kindergarten entdeckt und es interessierte mich, weil ich christlich erzogen wurde und für mich die biblische Geschichte zu Weihnachten dazu gehört, wie der Christbaum und die Geschenke.

Das Bilderbuch erzählt aus der Perspektive eines Hirtenjungen die Begegnung mit Joseph und Maria und dem neugeborenen Jesus. Die Geschichte ist dabei wunderbar auf das Wesentliche reduziert. Sie wird von den Gedanken und Gefühlen des kleinen Simon eingerahmt  und bietet somit eine wunderbare Möglichkeit der Identifikation für Kinder.

Die Stimmung der Bilder gefällt mir gut, die Farben sind sehr angenehm und der Bildaufbau ist abwechslungsreich. Leider sind die Menschen viel zu niedlich gezeichnet. Diese kleinen Knopfaugen (bei Mensch und Tier) und Stupsnasen, die gedrungenen Körper – alle Figuren sehen irgendwie gleich aus. Diese Reduktion und Verniedlichung der Figuren nervt beim näheren Betrachten sehr und das finde ich schade. Verniedlichungen und Verkitschungen gibt es an Weihnachten ja schließlich genug und überall.

Eve Tharlet: Simon und die Heilige Nacht. Verlag Neugebauer Press 1991. ab 3 Jahren. Nur noch antiquarisch erhältlich.

P.S.: Das Buch eignet sich übrigens hervorragend für ein Bilderbuchkino. Einfach die Bilder einscannen, mit einem Beamer an die Wand werfen und den Text vorlesen. Eine wunderbare Adventsbeschäftigung. Auf einer Uni-Weihnachtsfeier mit KollegInnen-Kindern habe ich das auch schon mit „Der kleine Weihnachtsmann“ von Anu Stohner gemacht und es hat sehr gut funktioniert.

Urzeitroboter – Der Gewinner!

Nachdem ihr meine Wertung ja schon kennt, hier noch das offzielle Ergebnis des Wettbewerbs. Denn nun steht er fest, der Gewinner des Urzeitroboterpreises und somit das lustigstes Bilderbuch 2012.

Es ist „Das bewegte Buch“ von den Krickelkrakels. Herzlichen Glückwunsch!

Die Preisverleihung fand am 03. September in Hamburg, bei einem Grillen vorm Verlagshaus von Gruner+Jahr statt. Der Gewinner wurde am 05. September in der letzten Ausgabe der Brigitte MOM bekannt gegeben. Wahrscheinlich wurde den Autoren dort auch die Trophäe überreicht. Auf der Seite des „Urzeitroboter“ kann man sicher bald Fotos von der Veranstaltung sehen.

Hier noch die Top 5 aus den 12 der Jury vorgeschlagenen Büchern:

  1. „Das bewegte Buch“ (Oetinger) mit 12 Punkten
  2. „Sieben Hamster“ (Gerstenberg) mit 10 Punkten
  3. „Alle Kinder“ (Klett) mit 8 Punkten
  4. „Opa Jan und der turbulente Geburtstag“ (Esslinger) mit 7 Punkten
  5. „10 kleine Schafe“ (Loewe) und „Herr Anders“ (Tulipan) mit jeweils 6 Punkten

Unser Bücherparadies wäre … Japan: Jede Menge Eisenbahnbücher

Eine Freundin aus Frankreich lebt gerade in Japan. Sie hat sich in der dortigen französischen Community umgehört und eine Mutter getroffen, die von ihren Kinderbucherfahrungen erzählt hat. Hier ihr Bericht (mit fiktiven Namen):

Catherine und Pierre (6 Jahre) lesen meist französische Kinderbücher vor, obwohl Pierre  in den japanischen Kindergarten geht und bald die Grundschule in Kyoto besuchen wird. Für Catherine ist es schwierig, japanische Kinderbücher vorzulesen, weil es nicht ihre Muttersprache ist. Sie meint, wenn sie stottert oder stammelt, ist Pierre gleich nicht mehr am Buch interessiert. Trotzdem haben sie auch japanische Bücher in ihrem Regal, die ihnen gut gefallen. Und das sind – sehr zu unserer Freude – vor allem Eisenbahnbücher! Da das Zugsystem in Japan mindestens genauso gut ausgebaut ist wie in Deutschland, scheint dieses Genre dort recht weit verbreitet zu sein und die Ästhetik der Bücher gefällt mir sehr gut. Aber seht selbst, denn meine Freundin hat uns ein ganz tolles Exemplar geschenkt, von dem ich sehr begeistert bin:

でんしゃでいこう Densha de ikoo („Fahren wir mit dem Zug!“) von Masae Naokata (Hisakata Verlag, 2001) — ab 3 Jahren. Das Buch gefällt mir, ohne dass ich seinen Text kenne. Ich muss noch eine Japanerin / einen Japaner in Berlin finden, die / der uns das Buch übersetzt. Es kann in beide Richtungen gelesen werden und somit fällt nicht besonders auf, dass japanische Bücher eigentlich von hinten nach vorne gelesen werden. Das Buch imitiert eine Zugstrecke, der Zug fährt immer hin und zurück. Mein Sohn liebt diese Vorhersehbarkeit der Ereignisse und mag es außerdem sehr, Linien mit dem Finger nachzufahren, was bei diesem Buch sehr gut möglich ist. Catherine meint, dass der Text ziemlich einfach auf Japanisch vorzulesen ist, da es viele Lautmalereien wie „de-de-do-do“ gibt. Interessant ist übrigens auch, dass jeder Zug in Japan sein eigenes Geräusch macht – in Frankreich machen alle Züge „tchou-tchou“, in Deutschland „tsch-tsch-tsch“! Der Zug in dieser Geschichte fährt durch japanische Landschaften und die vier Jahreszeiten. Kleine Fenster sind aufgeschnitten für Tunnel! Die Tunneldurchfahrten strukturieren die Seiten und bereiten die Ausblicke auf die Landschaften vor. Die Landschaftsbilder erinnern an den berühmten, traditionellen japanischen Maler Hokusai. Die Figuren, die als Passagiere im Zug mitreisen, haben hingegen etwas Comichaftes im Stil von Hergé an sich. Mein Sohn und ich, wir hatten jedenfalls schon von viel Freude mit diesem japanischen Bücherschatz und meiner Meinung nach fehlt ein solches Buch auf dem deutschen Kinderbüchermarkt!

Catherine und Pierre haben noch weitere Zug- und Verkehrsbücher in ihrem Bücherregal, die ich euch auch gerne noch vorstellen möchte:

カンカンカンでんしゃがくるよ Kan-kan densha ga kuruyo („Kan-kan, hier kommt der Zug!“) von Mitsuo Tsuda (Shin Nihon Shuppansha Verlag, 1990) — ab 3 Jahren. Noch eine Zuggeschichte! Zwei Freunde, ein Elefant und ein Kaninchen stehen am Bahnübergang und verschiedene Züge (nochmal mit unterschiedlichen Geräuschen) fahren vorüber.

うみへいくピン・ポン・バス Umi eku ping-pong bassu („Die Ping-Pongs fahren nach Umi mit dem Bus“) von Fumiko Takeshita (Text) und Mamoru Suzuki (Bilder) (Kaiseisha Verlag, 2004) — ab 3 Jahren. Zum Schluss noch ein Verkehrsbuch, dieses Mal mit einem Bus als Transportmittel. Dieses Buch erzählt die Reise einer Familie (Eltern + 1 Sohn + 1 Tochter) zum Strand. Die Bilder sind nette Gemälde und der Bus fährt durch die Stadt und dann über Land.

Herzlichen Dank an Magali für die Vorstellung der Bücher und die Bilder! Der Bericht geht noch weiter. In den nächsten Tagen gibt es eine Fortsetzung zur japanischen Kinderliteratur.

Endspurt! Urzeitroboter 10. Teil: „Keine Sorge, Paulchen!“ von David Melling, „Opa Jan und der turbulente Geburtstag“ von Marius van Dokkum, „Hexe Hatschi macht Geschichten“ von Brigitte Endres und Andrea Hebroch

Ich muss es zugeben: ein wenig hat mein Urzeitroboter-Elan in den letzten Wochen nachgelassen. Zwölf Buchbesprechungen hintereinander sind wirklich ganz schön viel … Daher kürze ich nun zum Ende hin die Prozedur etwas ab und beschränke die Vorstellung der letzten drei Bücher auf ein kurzes Fazit. Das ist ungerecht für die Bücher, die irgendwie nach ganz unten gerutscht sind auf meinem Stapel, ich weiß. Nun wurde aber sogar noch der Einsendeschluss für die Bewertungen nach vorne verlegt, weil meine Jury-KollegInnen scheinbar so fleißig waren und es stehen noch so so viele neue Themen aus.

Hier die Kurzurteile:

David Melling: Keine Sorge, Paulchen. Oetinger Verlag 2011. ab 3 Jahren. 12,95 Euro.

Eine neue Geschichte für jüngere Kinder vom renommierten, britischen Zeichner David Melling, der für seinen Humor bekannt ist. Die großen Bären sind sehr niedlich. Die Geschichte um ein Missgeschick mit einer Wollmütze, das verschiedene Tiere mit unterschiedlichen Vorschlägen beheben möchten, hat für mich nichts Besonderes. Lustig ist das Verzeichnis verschiedener Mützensorten am Ende des Buches. Vom tapsigen Bären Paulchen gibt es noch zwei weitere Bände.

Marius van Dokkum: Opa Jan und der turbulente Geburtstag. Esslinger-Verlag 2012. ab 3 Jahren. 12,90 Euro.

Der Titel hält, was er verspricht: Die Geschichte ist wirklich turbulent. An seinem Geburtstag steckt Opa Jan in der Toilettenschüssel fest, erlebt ein Flugabenteuer und badet im Froschteich. Die Schadenfreude wird mal wieder bedient, Slapstick halt. Opa Jan nimmt alles mit sehr viel Humor hin und am Ende erscheint es allen wie ein gelungener Tag … Die Bilder sind ebenso quirlig wie die Geschichte, aber nicht überfrachtet. Eigentlich ein sehr nettes Buch.

Brigitte Endres: Hexe Hatschi macht Geschichten. Coppenrath-Verlag 2011 ab 5 Jahren. 12,90 Euro.

Hatschi ist eine Hexe, aber sie will gar keine sein. Lieber wäre sie ein ganz normales Kind. Aber Hastchi ist eine Niesehexe, die beim Niesen hext und zwar immer lauter unvorhergesehene Dinge. Ihre Hexentante hilft ihr dann meist dabei, den Schaden aus den Hexereien wieder gut zu machen … Ich war noch nie von Bibi Bloxberg begeistert und musste bei diesen Geschichten immer gähnen.

In den nächsten Tagen folgt dann die Bekanntgabe meiner drei Favoriten.

Urzeitroboter 7. Teil: „Ich bin der König“ von Leo Timmers

Halbzeit! Die Hälfte der Bücher des „Urzeitroboter“-Preises habe ich vorgestellt. Bis Ende Juli sollte ich mich für eine Rangfolge entschieden haben. Da muss ich mich ganz schön spurten, um noch alle Bücher vorzustellen. Jetzt kommen aber ein paar Titel, die mir nicht so gut gefallen haben, da „erledige“ ich mal schnell in den nächsten Tagen nebenbei die Verrisse …

Das Buch von Leo Timmers beschreibt, wie sich die Tiere um die Krone des Dschungelkönigs streiten. Jedes Tier möchte sein Anrecht auf die Anführerrolle durch seine hervorstechende Eigenschaft begründen. Am Ende geht der Löwe als der wahre König der Tiere aus dem Streit hervor. Zwar sind die Zeichnungen mit den verschiedenen Körperteilen, auf welche die Tiere die Krone stecken, ganz lustig – der Elefant zwängt sie zum Beispiel über ein Bein, dem Affen rutscht sie vor die Augen – ansonsten hat das Buch aber nichts Besonderes an sich, das mich besonders zum Lachen oder Nachdenken anregen würde.

Leo Timmers: Ich bin der König. Bohem Press 2011. ab 3 Jahren. 11,95 Euro.

Urzeitroboter 6. Teil: „Sieben Hamster“ von Alexis Deacon und Viviane Schwarz, übersetzt von Michael Gutzschhahn

Ich mag das „Hänschen-klein-Motiv“, also Geschichten, die vom Verlassen eines alten Zuhauses und dem Aufbruch in einer neue Welt handeln, sehr gerne. Und diese hier gefällt mir besonders gut. Der Untertitel fasst schon die Handlung zusammen: „Wie wir das Meer überquerten, den Berg bestiegen, die Wüste überlebten – und ein neues Zuhause fanden.“ Den kleinen Hamstern ist nämlich ihr dunkles Loch, in dem sie bisher gelebt haben, zu eng geworden. Bei ihrer Suche nach einem neuen Zuhause müssen sie einige Gefahren bestehen, werden am Ende aber mit einem wunderbaren neuen Zuhause belohnt.

Die Komik des Buches besteht in seiner Form und den Situationen, in die die kleinen Helden geraten. Die Geschichte ist comicartig gestaltet. Die Hamster haben eigene Stimmen, die in Sprechblasen eingefügt sind. Auf einer Doppelseite springen sie wie kleine Teenage Mutant Heroe Turtles durchs Bild. Dabei ist die Comic-Ästhetik aber nicht aufdringlich. Die Illustrationen bleiben klar und übersichtlich, sind nicht überfrachtet. Beim Vorlesen ist der Comicstil recht gewöhnungsbedürftig, weil man keine lineare Geschichte einfach so „runterliest“. Dafür hat es aber auch seinen Reiz, denn jeder kleine Hamster bekommt eine Stimme. Es werden verschiedene Perspektiven auf die einzelnen Situationen vermittelt. Und die drolligen, zuerst ängstlichen, etwas ungeschickten, dann aber sehr mutigen Hamster fanden wir sehr lustig.

Mein Fazit: Die Geschichte von den kleinen Hamstern macht Mut. (plus) Der Comic-Stil, in dem das Bilderbuch gestaltet ist, ist innovativ und zeigt sehr gut die komischen Situationen, in die die kleinen Helden geraten. (plus)

Alexis Deacon und Viviane Schwarz: Sieben Hamster. Wie wir das Meer überquerten, den Berg bestiegen, die Wüste überlebten – und ein neues Zuhause fanden. Gerstenberg Verlag 2011. ab 3 Jahren. 12,95 Euro.

Urzeitroboter 5. Teil: „Lieselotte macht Urlaub“ von Alexander Steffensmeier

Bauernhofgeschichten sind modern. Seit in allen Medien ständig beklagt wird, dass Kinder nicht mehr wissen würden, woher das Schnitzel auf ihrem Teller kommt, erfahren Berichte über Ferien auf dem Bauernhof, Schrebergärten und Landidyllen in Büchern eine besondere Aufmerksamkeit.

Ich bin zwar auf dem Dorf aufgewachsen und habe das Schicksal von Hühnern, Schweinen und Kaninchen erlebt, hatte aber immer ein sehr distanziertes Verhältnis zu Tieren. Hunde machten mir Angst, Katzen fand ich hinterhältig und der Gedanke daran, einen kleinen Hasen zu streicheln, verursachte Gänsehautschauer. Die einzigen Haustiere, die ich mir vorstellen kann, sind Fische. Insofern stehe ich Bauernhofgeschichten etwas skeptisch gegenüber. Wie im vorigen Beitrag zu Michel aus Lönnerberga schon erwähnt, hielt sich die Begeisterung für Traktoren bei unserem Sohn, der normalerweise alles liebt, was fährt, bisher ebenso in Grenzen. Auch ihn schien das Thema „Bauernhof“ nicht sonderlich zu interessieren.

Die sehr erfolgreiche Lieselotte-Reihe von Alexander Steffensmeier bedient sich des Bauernhoftrends und knüpft zudem an bewährte Kinderbücher aus Skandinavien an. Die Anleihen bei den „Pettersson und Findus“-Büchern sind meines Erachtens nicht zu übersehen: Hühner spielen eine wichtige Rolle und die Zeichnungen sind sehr detailreich.

So hatte sich bei mir eine sehr kritische  Haltung gegenüber der Reihe eingestellt. „Lieselotte macht Urlaub“ ist nicht der erste Reihentitel, den ich kennen gelernt habe und bisher fand ich die Geschichten immer ein bisschen mau: vor allem die Lösungen der Konflikte schienen mir oft an den Haaren herangezogen. Das für den „Urzeitroboter“ nominierte Buch wirkte auf mich beim ersten Blick darauf auch konventionell, aber dann habe ich mich in den Zeichnungen verloren, die sehr lustig sind. Eines Tages kommt eine Postkarte von ihrem Freund, dem Postboten, bei Lieselotte an. Daraufhin möchte die verrückte Kuh auch Urlaub machen, trabt zur Bushaltestellte und wartete vergeblich auf eine Möglichkeit, den Bauernhof zu verlassen. Eine Wiese daneben kommt dann genauso gut als Urlaubsort in Frage und der Spaß fängt nun richtig an.

Auf meiner Lieblingsseite liegt die Kuh Lieselotte auf ihrer Urlaubswiese und tut Dinge, die man so im Urlaub macht (oder gern machen möchte): in der Sonne liegen, die Natur entdecken, fotografieren, ungewohnte Sachen essen, exotische Tiere entdecken. Die Bewegungen und die Mimik der etwas unbeholfenen Kuh dabei sind köstlich gezeichnet. Bei Alexander Steffensmeier sieht man deutlich, welches humoristische Potential in Bildern und weniger in Sprache steckt. Ich kann mir seine Illustrationen auch ohne Worte sehr gut vorstellen.

Überhaupt ist der Illustrator sehr umtriebig. Buchvorstellungen mit ihm – an einer habe ich im letzten September teilgenommen – sind sehr interessant, denn er gibt spannende Einblicke in seine Arbeit. In einem Blog berichtet er ebenso über die Entstehung seiner Bilder. Da kann man dem Zeichner direkt über die Schulter schauen und ist beeindruckt von der sorgfältigen Recherche und Hingabe mit der seine leichtfüßig wirkenden Bilder entstehen.

Mein Fazit: Trotz des modischen Themas ist die Kuh Lieselotte unverwechselbar. (plus) Der Humor der Bilder basiert größtenteils auf den Unbeholfenheit der Kuh mit menschlichen Zügen. (plus) Wer „Pettersson und Findus“ mag, liegt mit der Lieselotte-Reihe richtig. (neutral)

Alexander Steffensmeier: Lieselotte macht Urlaub. Sauerländer Verlag 2011. ab 3 Jahren. 14,95 Euro.

Urzeitroboter 4. Teil: „Das bewegte Buch“ von Die Krickelkrakels

Nach der Schadenfreude und der Fröhlichkeit habe ich mit dem vierten Buch aus der „Urzeitroboter“-Serie eine neue Art von Humor bei unserem Sohn entdeckt: die Anarchie. Nicht dass anarchistische Anwandlungen nicht schon längst bei ihm zu Tage getreten wären. Aber dieses Buch zeigt spielerisch eine Seite von Drei- und Vierjährigen, die mal mehr, mal weniger ausgeprägt, den Alltag oft genug bestimmt: das nicht zu tun, was von ihnen verlangt wird, Grenzen auszutesten, Dinge auf den Kopf zu stellen. Was in diesem Buch tatsächlich wörtlich genommen werden kann.

„Das bewegte Buch“ des Illustratorenkollektivs „Die Krickelkrakels“ ist ein so genanntes Mitmachbuch, d.h. die kleinen Leser werden auf jeder Seite aufgefordert, etwas zu tun. Ein Lied singen, einen gezeichneten Frosch küssen, marsianisch sprechen, das Buch schütteln, in einem Labyrinth den richtigen Weg finden. Durch die Aktionen wird die „Handlung“ des Buches vorangetrieben. Unserem Sohn macht nun am meisten Spaß, die Anweisungen auf den Seiten demonstrativ zu verneinen und oder sie auf den Kopf zu stellen, nicht zu tun, was von ihm verlangt wird. Das erhöht den Spaßfaktor des Buches, der sowieso schon recht hoch ist, noch einmal ungemein, denn in diesem Fall sind es ja nicht meine Anweisungen, die missachtet werden. Und ein bisschen Anarchie tut im Alltag immer gut … Ein super Buch zum Verschenken übrigens, finde ich.

Mein Fazit: Macht Eltern und Kindern viel Spaß. (plus) Den Illustrationen merkt man an, dass sie von verschiedenen Zeichnern stammen, was aber viel Abwechslung bringt. (plus) Die Einfälle sind witzig und innovativ. (plus)

Die Krickelkrakels: Das bewegte Buch. Oetinger Verlag 2011. ab 4 Jahren. 12,95 Euro.