Das richtige Buch zur richtigen Zeit: „Der Schiet und das Frühjahr“ von Andrus Kivirähk

DerSchietHeute freue ich mich sehr, ein Buch vorstellen zu können, das mich auf den ersten Blick begeistert hat. Es gab so einen kleinen Funken zwischen uns und es passt alles gut zusammen.

Das Buch kommt aus Estland und versammelt 14 Kurzgeschichten für kleine Leute ab 4 Jahren rund um erstaunlich lebendige und ein bisschen verrückte Gegenstände: eierlegende Socken, kannibalistische Heizungen, klammernde Jacken oder kommunizierende Eisflecken. Da steckt viel Humor in den Ideen!

Und Mitgefühl: In der Titelgeschichte beispielsweise sucht ein Hundehaufen einen Platz zum Leben und eine Partnerin. Der arme Haufen ist einsam und braucht Gesellschaft. In Berlin gibt es viele Hundehaufen, mit denen er sich zusammen tun könnte. Die Idee der Geschichte, dass er eine Löwenzahnblüte als Lebensgefährtin findet, scheint mir da aber menschenfreundlicher.

Der Willegoos-Verlag, der mir den herrlichen Band angeboten hat, wirbt damit, dass das Buch das Zeug zum Klassiker habe. Da bin ich einverstanden! Sehr einverstanden bin ich auch mit den Ansprüchen des Verlags, nachhaltige und umweltfreundliche Bücher zu produzieren. So ist „Der Schiet und das Frühjahr“ auf Recyclingpapier gedruckt, ohne Folien, mit mineralölfreien Druckfarben und hergestellt in Berlin (und nicht in China!) .

Durch meine Begeisterung bin ich nun auch ein bisschen früh in der Ankündigung, denn das Buch erscheint erst am 01. März! Aber auf den Frühling warten ja auch alle ungeduldig und in diesem Jahr wird die Geduld auch nicht auf die Probe gestellt. Also rufe ich schon mal ohne schlechtes Gewissen euch zu: Wartet auf den „Schiet und das Frühjahr“!

Andrus Kivirähk: Der Schiet und das Frühjahr. Mit Illustrationen von Meike Teichmann. Willegoos-Verlag Potsdam 2015. 14,95 Euro. Ab 4 Jahren.

Lachen ist ansteckend: „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ von Hannes Hüttner

Vor einigen Wochen hatten wir einen herrlichen Vorlesemoment. Wir sind auf den DDR-Kindergeschichten-Klassiker „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ gestoßen, da wir im Moment oft Geschichten aus dem Band „Erzähl mir vom kleinen Angsthasen. Die schönsten Kindergeschichten der DDR“ vorlesen. Unser Sohn fand die Feuerwehr-Geschichte von Anfang an zum Totlachen. Ich habe Bauklötze gestaunt, ob der Wirkung der Erzählung. Die Figuren, z.B. der immer hungrige Feuerwehrmeister Meier, riefen Zwerchfellerschütterungen bisher ungekannten Ausmaßes hervor.

Allein der Name der Oma, deren Wohnung in Brand geraten war, sorgte schon für kleine Lachkrämpfe. Sie heißt Oma Eierschecke und hatte einen Quarkkuchen gebacken, dabei die Ofentür offen gelassen und so einen Küchenbrand verursacht. Weitere Unfälle passieren Emil Zahnlücke, der auf einem Teich im Eis einbricht und einigen Zootieren, die von einer umgeknickten Linde bedroht werden. Die Unfälle strukturieren die Geschichte wunderbar, die armen Feuerwehrmänner werden drei Mal um ihre Kaffeepause gebracht. Eine simple Idee mit einer großen Wirkung!

Hannes Hüttner: Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt. Mit Bildern von Gerhard Lahr. In: Corinna Schiller (Hrsg.): Erzähl mir vom kleinen Angsthasen. Die schönsten Kindergeschichten der DDR. Beltz & Gelberg 2009. S. 35-47. ab 4 Jahren. Sammelband 14,95 Euro.

P.S. Eigentlich hatte ich angekündigt, den Sieger des Jugendliteraturpreises in der Sparte Bilderbuch kommentieren zu wollen. Irgendwie hatte ich bisher ein bisschen Pech bei der Buchbeschaffung zwischen Tür und Angel, so dass meine Rezension noch ein wenig Zeit braucht. Daher ziehe ich andere Artikel vor, aber die Besprechung kommt noch – versprochen!

Charakterologie eines Großstädters: „Karlsson vom Dach“ von Astrid Lindgren

Da wir vor kurzem in die Großstadt umgezogen sind, wollte ich unserem Sohn gerne Geschichten vorlesen, die in einer urbanen Umgebung spielen. Bei Astrid Lindgren bin ich fündig geworden. „Karlsson vom Dach“ ist ein sehr interessanter Großstadttext, der ein heimeliges Gefühl vermittelt. Im Buch gibt es mehrere Stellen, in denen das Häusermeer schön beschrieben wird, zum Beispiel im Kapitel „Karlsson fällt ein, dass er Geburtstag hat“.

Juniabende in Stockholm sind mit nichts anderem in der Welt zu vergleichen. Nirgendwo leuchtet der Himmel in einem so seltsamen Licht, nirgendwo ist die Dämmerung so zauberhaft und so lieblich und so blau. Und in dieser blauen Dämmerung ruht die Stadt auf ihren fahlen Wassern, so als wäre sie aus irgendeiner alten Sage emporgestiegen und wäre überhaupt nicht wirklich. Solche Abende sind für einen Weckenschmaus auf Karlssons Treppenvorplatz wie geschaffen. Meistens merkte Lillebror weder vom Licht des Himmels etwas noch von einer zauberischen Dämmerung und Karlsson seinerseits scherte sich überhaupt nicht darum. Als sie nun aber hier so beisammensaßen und Saft tranken und Wecken aßen, da empfand zum Mindesten Lillebror, dass dieser Abend mit keinem anderen zu vergleichen war. Und Karlsson merkte, dass Mamas Wecken mit keinen anderen Wecken zu vergleichen waren. (S. 282)

Mit mythologisierendem Vokabular beschreibt der Erzähler die Stimmung in der großen Stadt und man könnte meinen, er fühlt sich wohl in dieser Umgebung. Wenn da nicht die Hauptfigur wäre: Karlsson vom Dach. Der „schöne, grundgescheite, gerade richtig dicke Mann in seinen besten Jahren“ mit einem kleinen Propeller auf dem Rücken und einem gemütlichen Häuschen auf dem Dach, gleich neben dem Schornstein, polarisiert und provoziert den Leser und seine Umwelt ohne Unterlass. Mit seinen nervigen Eigenschaften stellt er den Prototyp des Großstadtbewohners dar, wie er seit der Urbanisierung Ende des 19. Jahrhunderts in vielen Texten und soziologischen Abhandlungen entworfen wurde. Er ist dominant, arrogant, aufschneiderisch, egoistisch, materialistisch, unzuverlässig, will immer nur Spaß haben. Kurz: Er ist ein krasser Individualist, genauso so, wie Georg Simmel den Großstädter in seinem für die Großstadtsoziologie grundlegenden Vortrag „Die Großstädte und das Geistesleben“, das erste Mal veröffentlicht 1903, beschrieben hat:

Zunächst die Schwierigkeit, in den Dimensionen des großstädtischen Lebens die eigene Persönlichkeit zur Geltung zu bringen. – Wo die quantitative Steigerung von Bedeutung und Energie [in der Großstadt] an ihre Grenze kommen, greift man zu qualitativer Besonderung, um so, durch Erregung der Unterschiedsempfindlichkeit, das Bewusstsein des sozialen Kreises irgendwie für sich zu gewinnen: was dann schließlich zu den tendenziösesten Wunderlichkeiten verführt, zu den spezifisch großstädtischen Extravaganzen des Apartseins, der Kaprice, des Pretiösentums, deren Sinn gar nicht mehr in den Inhalten solchen Benehmens, sondern nur in seiner Form des Andersseins, des Sich-Heraushebens und dadurch Bemerklichwerdens liegt – für viele Naturen schließlich noch das einzige Mittel, auf dem Umweg über das Bewusstsein der anderen irgend eine Selbstschätzung und das Bewusstsein einen Platz auszufüllen, für sich zu retten. (Online-Ausgabe des Textes: http://socio.ch/sim/verschiedenes/1903/grossstaedte.htm)

Einige weitere Eigenschaften, die Simmel dem Großstädter zuschreibt, treffen dann aber nicht auf Karlsson zu und somit bekommt der Leser eine Chance, die Nervensäge lieb zu gewinnen. So kann man ihn wohl kaum als blasiert und reserviert bezeichnen. Der kleine Mann sprudelt meist über von Ideen und schafft es, die Kinder für sich zu gewinnen. Zudem beweist er viel Geschick im Überlisten der Schurken in der großen Stadt. Und weil er Lillerbrors Freund ist, der dem Leser als ein durch und durch sympathischer Junge erscheint, lernt man die Nervensäge schätzen, genauso wie die Eltern und Geschwister in der Familie Svantesson. Und das ist die schöne Botschaft des Buches: Auf den zweiten Blick können sogar nervige Großstädter ganz nett sein!

Astrid Lindgren: Karlsson vom Dach. Zeichnungen von Ilon Wikland. Jubiläumsedition mit drei Büchern in einem Band. Verlag Friedrich Oetinger 2007. ab 8 Jahren. 9,90 Euro.

Urzeitroboter – Der Gewinner!

Nachdem ihr meine Wertung ja schon kennt, hier noch das offzielle Ergebnis des Wettbewerbs. Denn nun steht er fest, der Gewinner des Urzeitroboterpreises und somit das lustigstes Bilderbuch 2012.

Es ist „Das bewegte Buch“ von den Krickelkrakels. Herzlichen Glückwunsch!

Die Preisverleihung fand am 03. September in Hamburg, bei einem Grillen vorm Verlagshaus von Gruner+Jahr statt. Der Gewinner wurde am 05. September in der letzten Ausgabe der Brigitte MOM bekannt gegeben. Wahrscheinlich wurde den Autoren dort auch die Trophäe überreicht. Auf der Seite des „Urzeitroboter“ kann man sicher bald Fotos von der Veranstaltung sehen.

Hier noch die Top 5 aus den 12 der Jury vorgeschlagenen Büchern:

  1. „Das bewegte Buch“ (Oetinger) mit 12 Punkten
  2. „Sieben Hamster“ (Gerstenberg) mit 10 Punkten
  3. „Alle Kinder“ (Klett) mit 8 Punkten
  4. „Opa Jan und der turbulente Geburtstag“ (Esslinger) mit 7 Punkten
  5. „10 kleine Schafe“ (Loewe) und „Herr Anders“ (Tulipan) mit jeweils 6 Punkten

Urzeitroboter 9. Teil: „Tatu und Patu und ihr verrückter Kindergarten“ von Aino Havukainen und Sami Toivonen

Diesem Buch bin ich mit einigen Vorurteilen begegnet. Es schien auf den ersten Blick überhaupt nicht meinem Geschmack zu entsprechen, denn es wirkte  sehr laut, sehr bunt, sehr wimmelbuchmäßig, irgendwie zu überdreht.

Beim ersten Lesen  war ich auch recht irritiert über die Geschichte und die Sprache: Die beiden verrückten Erfinder Tatu und Patu, comicartige Figuren, die zugleich kindlich und erwachsen wirken, haben einen Wellnesstag im Schwimmbad gewonnen. Statt in der „Nass-Oase“ landen die beiden in der „Kindergarten-Spaß-Oase“ nebenan. Dort gibt es die Schlammpackung aus dem Sandkasten und auf dem Spielplatz finden sich Fitnessgeräte. Die Brüder haben jede Menge Spaß und die anderen Kinder im Kindergarten auch. Die aus Werbeprospekten übernommenen Sprüche der beiden Erfinder befremden erst einmal niemanden, außer die erwachsenen Vorleser …

Hier liegt dann auch der Reiz des Buchs, denn dieses bietet viele humorvolle Einfälle für Erwachsene. So wird zum Beispiel der Bildungsehrgeiz in Kindertagesstätten auf die Schippe genommen. Ein Baby, das überall Sätze auf Latein hinkritzelt, begegnet den Lesern in mehreren Bildern. Solche Details gibt es noch mehr zu entdecken. Und auch die Grundidee der Geschichte, dass nämlich Kinder, die „Erwachsene“ spielen, in eine Kindergartenwelt kommen, erweist sich als recht interessant und originell.

„Tatu und Patu und ihr verrückter Kindergarten“ ist ein Fortsetzungsband zu „Tatu und Patu und ihre verrückten Maschinen“, den ich mir nun wahrscheinlich auch einmal ansehen werde, denn die Geschichte hat mich neugierig gemacht.

Fazit: Das Buch wirkt auf den ersten Blick recht schrill (negativ). Die Geschichte ist gespickt mit ironischen Spitzen, die zuerst einmal Erwachsene verstehen (aber auch Kindergartenkinder können durchaus schon Ironie erkennen, habe ich mal gelesen) (positiv). Die beiden verrückten Erfinder sind mir dennoch aber nicht so richtig sympathisch. (neutral)

Aino Havukainen und Sami Toivonen: Tatu und Patu und ihr verrückter Kindergarten. Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat. Thienemann Verlag 2011. ab 4 Jahren. 12,95 Euro.

Urzeitroboter 4. Teil: „Das bewegte Buch“ von Die Krickelkrakels

Nach der Schadenfreude und der Fröhlichkeit habe ich mit dem vierten Buch aus der „Urzeitroboter“-Serie eine neue Art von Humor bei unserem Sohn entdeckt: die Anarchie. Nicht dass anarchistische Anwandlungen nicht schon längst bei ihm zu Tage getreten wären. Aber dieses Buch zeigt spielerisch eine Seite von Drei- und Vierjährigen, die mal mehr, mal weniger ausgeprägt, den Alltag oft genug bestimmt: das nicht zu tun, was von ihnen verlangt wird, Grenzen auszutesten, Dinge auf den Kopf zu stellen. Was in diesem Buch tatsächlich wörtlich genommen werden kann.

„Das bewegte Buch“ des Illustratorenkollektivs „Die Krickelkrakels“ ist ein so genanntes Mitmachbuch, d.h. die kleinen Leser werden auf jeder Seite aufgefordert, etwas zu tun. Ein Lied singen, einen gezeichneten Frosch küssen, marsianisch sprechen, das Buch schütteln, in einem Labyrinth den richtigen Weg finden. Durch die Aktionen wird die „Handlung“ des Buches vorangetrieben. Unserem Sohn macht nun am meisten Spaß, die Anweisungen auf den Seiten demonstrativ zu verneinen und oder sie auf den Kopf zu stellen, nicht zu tun, was von ihm verlangt wird. Das erhöht den Spaßfaktor des Buches, der sowieso schon recht hoch ist, noch einmal ungemein, denn in diesem Fall sind es ja nicht meine Anweisungen, die missachtet werden. Und ein bisschen Anarchie tut im Alltag immer gut … Ein super Buch zum Verschenken übrigens, finde ich.

Mein Fazit: Macht Eltern und Kindern viel Spaß. (plus) Den Illustrationen merkt man an, dass sie von verschiedenen Zeichnern stammen, was aber viel Abwechslung bringt. (plus) Die Einfälle sind witzig und innovativ. (plus)

Die Krickelkrakels: Das bewegte Buch. Oetinger Verlag 2011. ab 4 Jahren. 12,95 Euro.

Urzeitrobotor 2. Teil: „Alle Kinder. Ein ABC der Schadenfreude“ von Anke Kuhl und Martin Schmitz-Kuhl

Humor kann ganz schön provozieren und polarisieren, wie das heutige Buch aus der Nominierungsliste zum „Urzeitroboter“ zeigt. 12 amazon-Bewertungen teilen sich in zwei gegensätzliche Lager. Fünf Rezensenten finden es gut, sieben grottenschlecht. Dabei tritt eine Verbissenheit und Rigorosität zu Tage, die mich in Erziehungsfragen immer wieder erstaunt. Ein Leser betitelte seine Rezension z.B. mit dem Schlagwort „abartig“, nennt das Buch „pervers“ und meint, er würde seinem Sohn verbieten, die Sprüche aus dem „ABC der Schadenfreude“ nachzusprechen.

Dabei greifen die Autoren ein Phänomen auf, dass sowieso auf allen Schulhöfen grassiert: Zweizeilige Reime, in denen einem Kind etwas Schreckliches passiert, während die anderen Kinder in Sicherheit sind. Ich kannte diese Sprüche wie „Alle steh’n am Abgrund. Außer Peter, der geht noch nen Meter.“ auch noch und fand sie lustig als Kind. Unser 4-Jähriger versteht sie leider noch nicht. Aber für 6-Jährige sind sie bestimmt ein großer Spaß. Die 26 Reime werden von klaren Illustrationen begleitet. Die gezeichneten Figuren erinnern in ihrem Stil an die Geschichten von „Le petit Nicolas“ von Sempé und Goscinny, zeigen also Kinder, die ein bisschen wie zu klein geratene Erwachsene aussehen und immer mit glupschigen Augen in die Welt schauen. Die Reime sind alphabetisch nach den Namen der Kinder, auf die ein Reim gedichtet wird, angeordnet. Sogar für das Y wurde ein Name gefunden: „Alle Kinder halten die Tür [vom Klohäuschen] zu. Außer Yves – der sitzt im Mief.“

So kann man prima diskutieren, was denn „gemein sein“ bedeutet. Man kann neue Reime hinzudichten – einige Erwachsene, denen ich das Buch gezeigt habe, meinten sofort: „Da fehlt doch der und der Spruch!“. Und man kann über Humor nachdenken, denn Schadenfreude ist ein wichtiger Bestandteil der Lachkultur. Und wenn sie sich nicht auf konkrete Personen, deren Unglück man gerade vor Augen hat, bezieht und die eigentlich eher Hilfe benötigen als hämische Kommentare, finde ich Schadenfreude einen legitimen Grund zum Lachen und Spaß haben.

Mein Fazit: Das Buch nimmt ein Schulhofphänomen auf und spinnt es weiter. (plus) Im „ABC der Schadenfreude“ stecken mehr Denkanlässe als man auf den ersten Blick vermuten würde. (plus). Das Buch erschien 2011 schon in der dritten Auflage, ist also nicht ganz neu. (minus) Die Zielgruppe entspricht nicht der bei Bilderbüchern üblichen Altersspanne. (minus)

Anke Kuhl und Martin Schmitz-Kuhl: Alle Kinder. Ein ABC der Schadenfreude. Klett Kinderbuch 2011. ab 6 Jahren. 12,90 Euro.

Urzeitroboter 1. Teil: „Neue Karlchen-Geschichten“ von Rotraut Susanne Berner

Wir haben das erste Buch aus der Nominierungsliste für den Bilderbuchpreis „Urzeitroboter. Das lustigste Bilderbuch 2012“ vorgelesen: eine Sammlung der seit 2001 erscheinenden Karlchen-Geschichten von Rotraut Susanne Berner, einer u.a. für ihre Wimmelbücher sehr bekannten Illustratorin. Die kurzen Texte beschreiben Alltagsbegebenheiten rund um den kleinen Hasen Karlchen, dessen Name an die Fritzchen-Witze erinnert, die zu meiner Kindergartenzeit erzählt wurden und Knirpse zum Kichern, Erwachsene aber eher zum Gähnen brachten. Genauso ging es uns mit den Karlchen-Geschichten. Unser Sohn mag sie, auch wenn er nicht in schallendes Gelächter ausgebrochen ist. Wir vermissen die Pointen. Es stellte sich ein gewisser „Bobo-Siebenschläfer-Effekt“ ein, denn die Texte sind sehr stark auf die Erfahrungswelt der Kinder bezogen, Erwachsenen wird aber schnell langweilig beim Vorlesen. Da helfen ein bisschen die warmherzigen Illustrationen, die aber leider doch recht spärlich gesät sind.

Mein Fazit: Die Geschichten gehören zu einer Reihe, die schon seit langem fortgesetzt wird. (minus) Die Geschichten sprechen Kinder gut an. (plus) Der Spaß beim Vorlesen für Erwachsene hält sich in Grenzen (minus). Mehr Illustrationen wären schön gewesen. (minus)

Rotraut Susanne Berner: Neue Karlchen-Geschichten. Ein Vorlese-Bilder-Buch. Hanser-Verlag. ab 3 Jahren. 9,90 Euro.

Hurra, ein Bücherpaket: Der Urzeitroboter 2012 – Preis für das lustigste Bilderbuch des Jahres

Rainer Sturm / PIXELIO

Im Januar hatte ich hier  davon berichtet, dass ich in die Jury für den „Urzeitroboter 2012“, ausgelost von der Zeitschrift Brigitte Mom und dem Illustrator Patrick Wirbeleit, aufgenommen wurde. In der letzten Woche brachte nun der Postbote ein großes Paket mit den von Verlagen vorgeschlagenen Büchern. Wie ihr euch denken könnt, war das für mich ein Ereignis wie Weihnachten und Ostern zugleich. Am liebsten hätte ich mich gleich in die Arbeit gestürzt und vorgelesen. Leider war erstens mein Publikum gerade im Kindergarten, stehen zweitens im Moment viele andere wichtige Dinge auf meiner To-do-Liste und drittens erfordert so eine große Aufgabe auch ein planvolles Vorgehen, finde ich.

Nun grübele ich seit einer Woche, wie ich meiner Verantwortung als Jury-Mitglied am besten gerecht werde. Meine Bewertung muss ich bis zum 31. Juli einreichen. Ich soll die drei Bücher heraussuchen, die ich am lustigsten finde und dabei dem ersten Platz drei Punkte, dem zweiten Platz zwei Punkte und dem dritten Platz einen Punkt geben.

Nun stellen sich mir folgende Fragen: Wie kann ich meinen Vorlesekreis erweitern? Die Meinungen meines Sohnes und seines Papas sind wichtig, aber ich fürchte, ich könnte die beiden mit dem Vorlesepensum überfordern. Immerhin stehen 12 Bücher zur Auswahl. Welche Kriterien lege ich an, um die Bücher zu beurteilen? Die Kategorien „Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht“ erscheinen mir etwas zu oberflächlich. Andererseits soll ja das lustigste Bilderbuch gewählt werden und Humor kann man schlecht begründen oder analysieren. Da zählt wohl doch der erste Eindruck. Entweder das Buch schlägt ein oder nicht. Allerdings brauchen gerade Bilderbücher oft etwas Zeit, damit sie den Weg in das Herz der kleinen Leser finden, denn diese können beim ersten Hören und Sehen oft noch gar nicht alle Informationen aufnehmen. Schließlich überlege ich noch, ob und wie ich den Blog in die Juryarbeit einbinde. Leider kenne ich die anderen Juroren nicht, so dass ich nicht weiß, ob nicht vielleicht einer von ihnen zufällig bei „vorgelesen“ mitliest und so das Juryergebnis verfälscht werden könnte, wenn ich zu viele Überlegungen öffentlich mache.

Ihr seht, es rumort ganz schön in meinem Kopf. Ich hoffe, bald einen Plan zu haben und halte euch auf dem Laufenden in Sachen „Urzeitroboter 2012“. Natürlich freue ich mich über eure Tipps und Anregungen.

Ein lautes „Bravo“ für ein leises Buch: „Der Krakeeler“

Dieses Bilderbuch hat mich verzaubert. Sowohl seine Geschichte als auch seine Bilder haben mich sofort eingenommen. Zuerst hat mich der Titel angezogen: Der Krakeeler. Die Wortschöpfung klingt vertraut und geheimnisvoll. Das Verb „krakeelen“ verbindet einige Bedeutungen zu einem charakteristischen Ausdruck, der eine Mischung aus lärmen, schreien, zetern, streiten umschreibt. Durch den lautmalerischen Charakter des Wortes glaubt man die dazugehörigen Töne gleich im Ohr zu haben. Und die Wortschöpfung spricht eine Eigenart von Kindergartenkindern an, die gerne verschiedene Lautstärken ausprobieren und damit Eltern gehörig auf die Nerven gehen können.

Überraschenderweise ist es in dieser Geschichte jedoch umgekehrt: Helene fühlt sich nicht wohl, weil ihr Vater ein Krakeeler ist, der alle seine Wünsche, Bemerkungen und Vorwürfe lauthals herausschreit. Die Mutter erklärt ihrer Tochter, dass die ganze Familie des Vaters aus Krakeelern besteht, dass Helene auch dazugehört und eine Krakeelerin werden kann. Bei diesem Gedanken ist dem Mädchen so unwohl, dass es sein Zuhause verlässt und in der großen Stadt sich als Musikerin versucht. Weil Helene ihrem Gefühl und ihrem Talent folgt, findet die Familie am Ende wieder zusammen.

Mit märchenhafter Klarheit und Selbstverständlichkeit erzählen und illustrieren die beiden Autoren diese Geschichte. In ruhigen Bildern, mit wunderbar warmen Farben wird eine Fantasiewelt geschaffen. Die Figuren sehen aus wie Katzen, sind unverwechselbar, obwohl sie ohne viel Schnickschnack auskommen. So einfach und klar wie sie gezeichnet sind, handeln Helene und ihre Eltern und lösen ihren gemeinsamen Konflikt. Das Katzenmädchen zeigt viel Selbstbewusstsein, ihre Mutter erklärt mit bewundernswerter Geduld das störende Verhalten des Vaters. Und am Ende wird deutlich, dass die Macke des Vaters auch ihr Gutes haben kann. Denn nach dem Konzert der kleinen Trompeterin ist das Krakeelen erlaubt. „Bravo“ kann man nicht laut genug rufen.

 Moni Port / Philip Waechter: Der Krakeeler. Beltz&Gelberg 2010. ab 4 Jahren. 12,95 Euro.